Was bisher geschah … In Schornstadt, einem kleinen Dorf, wurde in Frau Brauchlers Bibliothek ein Brief von zwei maskierten Personen gestohlen. Als Tami, eine Schülerin, die Diebe heimlich belauscht und kurz darauf von diesen entdeckt wird, wird sie in einem Müllcontainer eingesperrt. Zum Glück kann Jan, ein Mitschüler, sie befreien, doch jetzt wollen Tami und ihre beste Freundin Franzi die Verbrecher auch fassen. Am nächsten Tag lernen die beiden einen neuen Schüler namens Basti kennen und ihnen wird von einer spontanen Klassenfahrt zu dessen Tante nach Heideltal berichtet. Im Anschluss an die Schule verabreden sich die Freunde im Wobaha – einem großen Baumhaus am Rande des Waldes von Schornstadt – und schmieden Pläne, wie sie den Dieben auf die Schliche kommen können. Dazu wollen sie Frau Brauchler befragen …
Wer Teil 1-8 verpasst hat, kann diese auf unserem Blog nachlesen: www.mpg-aktuell.org
Als Jan ein Stück zurücktrat, sah ich ein kleines, rot-weißes „Geschlossen“-Schild, das von innen an die Tür g ehängt worden war.
Ich deutete mit einem Finger darauf.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Jan.
Man konnte eine leichte Enttäuschung in seiner Stimme hören.
„Keine Ahnung“, antwortete Martin und schaute auf seine Uhr. „Es ist jetzt halb sechs. Frau Brauchler wird also noch nicht schlafen gegangen sein.“ Tami presste die Hände in einer ovalen Form gegen die Fensterscheibe, um besser sehen zu können. „Drinnen sieht es auch nicht gerade so aus, als ob noch jemand da wäre“, meinte sie.
Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die alte Wand neben der Scheibe und schloss die Augen. „Das fängt ja super an!“, sagte ich ironisch.
„Weißt du, wo Frau Brauchler wohnt? Dann könnten wir sie zu Hause besuchen. Wo sollte sie sonst sein, wenn schon nicht hier?“, fragte mich Timo.
Ich machte die Augen wieder auf. Die Idee war gar nicht so doof. „Ich nicht, ihr?“, gab ich die Frage an die Runde weiter.
Aber auch Martin und Jan schüttelten den Kopf. Fragend schaute ich zu Tami, die immer noch damit beschäftigt war, durch die Scheibe zu schauen: „Du, Tami?“
„Ich weiß nur, dass sie in der Nähe von Marios Eisdiele wohnt, aber nicht genau wo“, gab sie zurück, löste ihre Hände und ihren Blick von der Schaufensterscheibe und drehte sich in unsere Richtung um.
„Sollen wir´s versuchen?“, fragte Jan, während er seine Arme streckte. Wir stimmten zu.

Etwas später saßen Tami und ich auf einer Bank des kleinen Marktplatzes in Schornstadt: Auf der einen Seite befand sich Marios Eisdiele, auf der anderen lag ein Spielplatz und vor uns stand die kleine Kirche. Die Jungs waren noch dabei, die Häuser auf der rechten Seite zwischen Spielplatz und Eisdiele nach einem Klingelschild mit der Aufschrift „BRAUCHLER“ abzusuchen. Aber wir wussten jetzt schon, dass ihre Suche vergeblich sein würde. Wir hatten es nämlich schon gefunden: Frau Brauchlers Haus. Es stand eine Seitenstraße weiter links von Marios Eisdiele entfernt.
„Schreib Timo mal, dass wir Frau Brauchlers Haus schon gefunden haben. Sonst dauert das hier noch ewig“, meinte ich irgendwann zu Tami. Da wir hier kein WLAN hatten und deshalb unsere Mobilen Daten benutzen mussten, musste ich sie fragen und konnte nicht einfach selber schreiben.
Ich hatte nur 500 MB im Monat zur Verfügung und die waren leider schon seit ein paar Tagen aufgebraucht.
Während Tami also Timo schrieb, lehnte ich mich mit meinem Kopf gegen ihre Schulter und betrachtete den gepflasterten Boden.
Die Oberfläche der rechteckig, gleichmäßig angeordneten Steine, die in den Boden eingelassen waren, glitzerten in den Strahlen der Sonne vor sich hin. Vor meinen Füßen landete plötzlich ein kleiner Spatz. Wahrscheinlich suchte er etwas zu essen und hoffte, dass wir ihm etwas geben würden. Er kam mit zwei kleinen Hopsern weiter auf meinen rechten Fuß zu. Dann machte er mit weiteren Minisprüngen eine 90-Grad-Wende und entfernte sich wieder einige Zentimeter.
„Timo hat geschrieben, dass sie auf dem Weg hierher sind und wir uns vor der Eisdiele treffen sollen“, unterbrach Tami die Stille.
Mit diesen Worten schob sie ihr Handy zurück in ihre Hosentasche und stand auf. Dabei musste der kleine Spatz sich ziemlich erschreckt haben, denn er flog auf der Stelle weg und landete erst wieder ein gutes Stück weiter auf einem Baum.

Plötzlich fiel mir eine Frage ein: „Als du in dem Container eingesperrt warst, hättest du doch auch einfach mit deinem Handy Hilfe rufen können oder nicht?“ Während jetzt auch ich aufstand, schüttelte Tami den Kopf: „Ne, hätte ich nicht. Mein Handy ist in meiner Schultasche gewesen und die hatte ich ja nicht bei mir. Ich hatte Glück, dass die Idioten nur den Hauptreißverschluss geöffnet haben und nicht auch noch das Nebenfach, sonst hätte ich jetzt wahrscheinlich kein Handy mehr…“
„Oh… Jap, da hattest du Glück“, entgegnete ich, als wir zur Eisdiele liefen.
Kurz darauf waren auch Jan, Martin und Timo da und wir führten sie zu Frau Brauchlers Haus. Als wir an einem von den vielen alten Fachwerkhäusern mit den wunderschönen, lila Blumenkübeln an der Fensterbank und den weiß angestrichenen Fensterläden ankamen, von deren Hölzern schon wieder die Farbe etwas abblätterte, blieben wir stehen.
Ein niedriger Holzzaun trennte uns von einem farbenfrohen, blühenden Garten, der sich vor dem Haus befand. Neben einer kleinen Gartenpforte, die im Stil des restlichen Zaunes angefertigt worden war, befand sich ein alter Briefkasten mit einem Aufkleber. Auf diesem stand deutlich „BRAUCHLER“ geschrieben. Martin schaute beeindruckt: „Hier wohnt also Frau Brauchler.“ Ich öffnete vorsichtig die Gartenpforte zwischen dem Holzzaun, der den Garten vor dem Haus umschloss. Es quietschte trotzdem fürchterlich laut. Nachdem alle hindurch gegangen waren, schloss ich die Pforte wieder mit dem gleichen, unangenehmen Geräusch. Ein schmaler, kopfsteingepflasterter Weg führte uns zwischen bunten Blumen, grünen Sträuchern und einem blühenden Apfelbaum, neben dem eine alte Bank stand, hindurch zur Haustür. Tami klingelte und wir warteten. Irgendwann wurde endlich die Tür geöffnet.
Vor uns stand Frau Brauchler in einem schönen Sommerkleid, das mindestens genauso bunt war wie die Blumen in ihrem Garten. Ihr schon etwas faltiges Gesicht machte einen überraschten Eindruck, als sie uns sah. Trotzdem lächelte sie uns an und es sah so aus, als ob sie sich sehr über Besuch freuen würde: „Hallo miteinander! Das ist aber schön, euch zu sehen. Was verschafft mir die Ehre, dass ihr mich besuchen kommt?“
Timo wollte etwas sagen, doch ich war schneller als er: „Hallo, Frau Brauchler. Wir freuen uns ebenfalls Sie zu sehen und sind froh, dass es Ihnen trotz des Ereignisses gestern gut geht.“ Während ich den hinteren Teil des Satzes aussprach, mattete das Lächeln der schon älteren Frau ein winziges Stückchen ab. Ich versuchte das zu ignorieren und fuhr fort: „Wir sind hier, weil wir Ihnen noch ein paar Fragen stellen wollen. Vielleicht erinnern Sie sich heute an etwas, das Sie gestern in der Aufregung vergessen haben zu erzählen.“
Frau Brauchler guckte sehr unentschlossen. Sie hatte wohl nicht wirklich Lust noch weiter über die Sache vom Vortag nachzudenken oder nachzuforschen, wer der Täter war.
„Bitte, Frau Brauchler. Es dauert auch echt nicht lang“, versprach Timo. Und Martin schob noch ein „Sie wollen doch auch wissen, wer die Personen waren, die den Brief geklaut haben, oder nicht?“ hinterher. „Dürfen wir bitte reinkommen?“, fragte schließlich Tami.
Frau Brauchler stand immer noch im Türrahmen der Haustür und versperrte somit den Eingang. Dann seufzte sie, trat auf die Seite und zeigte uns mit einer Handgeste an, dass wir reinkommen durften. Mit einem „Na gut. Aber nur weil ihr es seid“, begründete sie ihre Entscheidung. „Danke“, sagte ich zu ihr, während ich eintrat.
FORTSETZUNG FOLGT
Hannah Bayer, 8c (Schuljahr 2023/2024)