Eine Story über das Leben am Gymnasium
Der knallrote Smart von Dr. Feuerstein rumpelte über den Pausenhof des Gymnasiums. Es war schon ein altes Gebäude. Knatternd blieb das schäbige Gefährt vor dem Eingang des Schlosses stehen. Laut quietschend öffnete sich die Autotür und heraus schaute ein gutgestylter Direktor. Die dunkelblonden Haare standen vorne etwas ab und man konnte ein Gesicht mit eisblauen Augen erkennen. Darunter befand sich eine kleine Nase und den Abschluss des Gesichtes machte ein fröhliches Lächeln. Max Feuerstein, genannt Smartie, stieg aus und schloss seinen Smart ab. Dann drehte er sich um, seufzte glücklich und ging auf das alte Schloss zu.
Kapitel 1 / Wer ich bin?
Das alles beobachtete ich vom Fenster im 2. Stock. Es war 9.11 Uhr und ich saß mit 13 anderen Schülern gefesselt im Klassenzimmer. Frau Schlotterbeck fragte gerade einen Jungen namens Steffen die letzten Englischvokabeln ab. Als dieser plötzlich aufsprang, laut „Ich muss mal!“, rief und, so schnell er konnte, aus dem Klassenzimmer sauste. Steffen war zusammen mit Christoph der Klassenclown der 7a und natürlich hatte er das nur gerufen, weil er mal wieder nicht gelernt hatte und somit auch keine richtige Antwort auf die gefragten Vokabeln geben konnte. Das wusste jeder aus der Klasse. Jeder, außer der Lehrerin, die natürlich glaubte, was Steffen sagte und unserem Streber, der in jedem Fach außer Sport eine 1* hatte.
Ich schaute auf die Uhr, die hoch über der Tafel hing. Es war 9.12 Uhr. In 180 Sekunden war endlich Pause. Trotzdem verstrichen die Minuten wie Stunden und als es endlich zur großen Pause klingelte, schoss ich wie ein Pfeil an den anderen vorbei. Endlich Pause!
Ich eilte den langen Gang entlang. Vorbei am Lehrerzimmer, am Direktorat, die Treppe runter, durch die große Eingangshalle und dann nichts wie raus. „Erst mal Einatmen! Und Ausatmen!“, sagte ich mir im Stillen.
Ach so, wer ich bin? Mein Name ist Franziska Fiesel, aber alle nennen mich Franzi. Meine beste Freundin ist Tami, na ja, eigentlich heißt sie Tamara. Zusammen sind wir in der 7. Klasse auf dem Gymnasium Schloss Plankenstein. Es ist ein echtes und schon sehr altes Schloss und steht oben auf einem Berg. In der Umgebung befinden sich nur Wälder, Felder und andere Berge. Unten im Tal liegt ein kleiner Ort namens Schornstadt. Auf jeden Fall ist es hier megaschön, aber auch ein bisschen einsam. Hier auf der Schule kennt jeder jeden. Es ist die einzige weit und breit. Die Grundschule für die Kleinen und die Realschule für die Dummen ist ein paar Kilometer von Schornstadt entfernt. Sie müssen jeden Tag mit dem Bus dorthin fahren. Unsere Klasse ist die beste auf der ganzen Schule, auch wenn die Lehrer das nicht so sehen. Das liegt aber nicht daran, dass wir schlechte Noten schreiben. Nein! In unserer Klasse gibt es niemanden, der schlechtere Noten als eine 4,0 schreibt. Das hat einen ganz anderen Grund. Wir sind nämlich eine feste Gemeinschaft. Hier hält jeder zu jedem und während die anderen Klassen sich in kleineren Gruppen auf den Schulfluren unterhalten, machen wir alle zusammen eine Lagerbesprechung in unserem Klassenzimmer. Wie schon erwähnt sind wir 15 Schüler und Schülerinnen. Da hätten wir einmal unsere Klassenclowns Steffen und Christoph (die jede noch so langweilige Schulstunde in ein spannendes und lustiges Abenteuer verwandeln), unseren Streber Jan (der zwar alles besser weiß, aber den trotzdem gern hat), unsere Klassensprecherin Diana (die total nett ist und das beliebteste Mädchen der Klasse), die Zwillinge Miriam und Matthias (die das reinste Streiche-Quartett zusammen mit Christoph und Steffen sind), Claudia (die in einem kleinen Haus mit vier Halbgeschwistern lebt), Timo (auf den fast alle Mädchen stehen, der gerne mit allen flirtet und der unbedingt Autor werden will), natürlich Tami (die von allen Tamara genannt wird, warum auch immer, und die meine allerbeste Freundin ist), Myriam und Renee (mit denen ich und Tami immer abhängen, da sie auch beste Freundinnen sind), Krolla (er ist der kleine Bruder von Franky), Martin (der sehr musikalisch ist und super gut Klavier spielt) und natürlich ich.
„Na, hast du auch keine Lust auf Schule?“
Ich schreckte hoch. Was will der denn? Es war Franky, der große Bruder von Krolla. Er war schon in der 9. Klasse und die zwei wohnten drei Häuser von mir entfernt. Sein bester Freund Leopold kam hinzu. Die zwei gab es eigentlich auch nur im Doppelpack, so wie Tami und mich. Apropos Tami, wo war die eigentlich? Ich hatte sie heute noch gar nicht gesehen und sie war auch nicht im Unterricht gewesen. Ob ihr wohl was passiert ist? „Hallo? Erde an Franzi?“ Franky fuchtelte wild vor meiner Nase hin und her. Ich antwortete verwirrt: „Hm? Was ist? Sorry, hab nicht zugehört. Hat einer von euch vielleicht Tamara gesehen?“ „Die Kleine sucht ihre Freundin? Oh, das tut mir aber leid!“, antwortete Leopold mit einem fiesen Grinsen im Gesicht. Sauer grinste ich zurück. Ich konnte ihn einfach nicht leiden. Keine Ahnung, warum Franky mit ihm so gut befreundet war. Die beiden waren das komplette Gegenteil voneinander: Frank Dürr war klug, hilfsbereit, nett, freundlich und eher zurückhaltend, Leopold Stelzen stattdessen war dumm, ein richtiger Klassenclown und hielt sich selber für den coolsten Jungen der ganzen Schule, auf den alle Mädchen standen. Natürlich aber war das Quatsch. Ich kannte keinen, außer Franky und die Jungs aus ihrer Klasse, die mit Leopold befreundet waren. Inzwischen hatte mir Franky höfflich mitgeteilt, dass er Tamara nicht gesehen hatte, aber weiterhin die Augen offenhielt.
Dann waren sie gegangen und ich hatte wieder meine Ruhe. Die Pause verging viel zu schnell und der restliche Unterricht viel zu langsam. Als es endlich zur letzten Stunde klingelte, seufzte ich glücklich und packte meine Sachen zusammen. Gerade wollte ich aus dem Klassenzimmer gehen, als mich Herr Lacher ansprach. Er war unser Deutsch- und Musiklehrer, spindeldürr und hatte eine Stimme wie ein Rotkehlchen. Deswegen nannten ihn auch alle so. „Warte doch mal Franzi“, sprach er mich mit hoher Stimme an, „Weißt du vielleicht, warum Tamara heute nicht im Unterricht war? Ich habe gar keine Entschuldigung von ihrer Mutter bekommen.“ Ich stutze. Das war ja komisch. Sonst war Frau Ripper immer so was von streng und pünktlich. Da musste doch was passiert sein! „Ähm, ne, Entschuldigung, Herr Lacher, ich habe keine Ahnung, warum Tami, äh, Tamara heute nicht im Unterricht gewesen ist“, gab ich verwirrt zu.
Ich beschloss, beim Heimgehen bei ihr zu Hause vorbeizugucken und zu schauen, ob alles OK war. Sie wohnte zusammen mit ihrer Mutter und ihrem großen Bruder in der Äschenbachstraße 4. Über ihren Vater will sie nie sprechen und wenn ich versuche, mehr über ihn herauszufinden, schaltet sie total auf stumm. Als ich dann bei den Rippers auf der Matte stand und klingelte, öffnete Frau Ripper mit einem sehr besorgten Gesicht die Tür. „Was ist denn los?! Ist was mit Tami?“, fragte ich verwirrt. Sie nickte und deutete mit einer Handgeste an, dass ich reinkommen sollte.
FORTSETZUNG FOLGT
Hannah Bayer, 6d (Schuljahr 2021/22)